Früher geächtete Drogen halten Einzug in die Schulmedizin
Über 20 Krankheiten hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in einer Liste aufgeführt, bei denen legal medizinisches Cannabis eingesetzt wird. Seit 2017 ist dies möglich. Ärzte können die Droge verschreiben, der Patient erhält sie auf Rezept, die Krankenkasse zahlt.
Im August des Jahres 1979 wurde der damalige SPIEGEL-Herausgeber Rudolf Augstein mit 40 Gramm Haschisch von der sardischen Polizei erwischt. Er wurde wegen illegalen Drogenbesitzes verhaftet und zu 16 Monaten Gefängnis auf Bewährung und 5000 Mark Geldstrafe verurteilt. 40 Jahre liegt dieser prominente Fall zurück, der damals Schlagzeilen machte.
Heute berichten die Medien über „Drogen auf Rezept“. Denn seit 2017 ist das aus der Hanfpflanze gewonnene Haschisch als Arzneimittel legalisiert. Es wird allgemein als Cannabis bezeichnet und kann per Rezept vom Arzt verordnet werden. Die Krankenkassen müssen dann den Patienten die Kosten erstatten.
Cannabis ist seit Jahrtausenden als Heilmittel bekannt
Cannabis ist das lateinische Wort für Hanf. Aus der Hanfpflanze wird auch die Droge Marihuana (Gras) gewonnen. Cannabisprodukte sind seit Jahrtausenden in der Medizin als Heilmittel bekannt, im alten China schon rund 5000 Jahre lang. Da es sich aber um Rauschmittel handelt, um Drogen, ist der Besitz von nicht medizinischem Haschisch und Marihuana nach wie vor strafbar, wie zu Augsteins Zeiten. So steht es im deutschen Betäubungsmittelgesetz. Wer solche Drogen ohne Erlaubnis – also ohne Rezept - besitzt, kann zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verurteilt werden. Ausnahmen kann es eventuell bei ganz geringen Mengen von sechs bis maximal zehn Gramm geben.
Medizinisches Cannabis wird vor allem zur Schmerzbekämpfung eingesetzt. Aber auch beim Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) findet es Anwendung. Außerdem bei Spastikern, in der Depressionsbekämpfung und bei einer Reihe weiterer meist psychischer Leiden.
Medizinisches Cannabis bekommt man in Deutschland nach einer ärztlichen Verordnung in der Apotheke. Ausgegeben wird es in Form von Cannabisblüten, von Extrakten beziehungsweise auch als Arzneimittel mit dem Hauptwirkstoff Dronabinol. Dieser Bestandteil des Cannabis wird auch als THC (Tetrahydrocannabinol) bezeichnet. Bei Cannabisblüten gibt es eine Höchstmenge, die innerhalb von 30 Tagen verschrieben werden darf. Diese beträgt 100 Gramm pro Patient. Im Allgemeinen werden die Cannabisblüten in pulverisierter Form ausgegeben, um sie besser dosieren zu können.
Vom Joint zum Inhalationsgerät – wie Cannabis angewandt wird
Für die Art, wie dem Körper die Cannabis-Wirkstoffe zugeführt werden, gibt es medizinadäquate Methoden. Es wird also nicht einfach der altbekannte Joint geraucht, obwohl diese Methode des Inhalierens durchaus wirksam wäre. Man wendet beim Arznei-Cannabis schonendere Methoden an und setzt Verdampfer ein, die auch als Vaporizer bezeichnet werden. Beim Einsatz dieser Geräte wird mit niedrigen Temperaturen gearbeitet. Sie bewirken eine bessere Extraktion der Wirkstoffe und eine lungenschonende Anwendung.
Cannabis kann auch als Tee zubereitet werden. Dazu lässt man einen Teebeutel mit Cannabisblüten für etwa 30 Minuten in heißem Wasser ziehen. Die schmerzlindernde oder stimmungsaufhellende Wirkung setzt allerdings bei Cannabistee bis zu einer Stunde später ein als bei der Inhalation.
Cannabis-Öl als Naturheilmittel angeboten
In der Cannabis-Medizin werden indes nicht nur getrocknete Substanzen angeboten, sondern auch das Cannabis-Öl. Dieses Hanföl enthält vor allem reichlich ungesättigte Fettsäuren wie zum Beispiel die Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure (ALA), die ansonsten nur in wenigen Speiseölen in dieser Menge vorkommen, wie im Hanföl. Da dieses Öl sogar als rezeptfreies Naturheilmittel angeboten wird, muss es vor jeder Verarbeitung darauf untersucht werden, ob es den Rausch-Wirkstoff THC enthält. Nur THC-freie Öle dürfen rezeptfrei als Naturheilmittel angeboten und verkauft werden. Dem Hanföl wird auf diversen Webseiten eine krebsheilende Wirkung zugeschrieben. Dafür gibt es allerdings keine entsprechenden Studien. Auch für eine Regulierung des Cholesterinspiegels, zur Blutdrucksenkung und zur Zellregeneration soll das Hanföl gut sein. Doch auch hier fehlt es noch an Nachweisen.
Studien zur Krebsmedikation noch unzureichend
Es wurden allerdings Studien gemacht, die belegen sollen, dass Wirkstoffe wie das THC und das Cannabidiol (CBD) krebshemmend seien. Man hat bei Tierversuchen mit Mäusen und Ratten solche Wirkungen beobachtet. Dr. Manuel Guzmán, ein 1963 in Madrid geborener Biologe und inzwischen Professor für Biochemie in seiner Heimatstadt, schreibt in einem Beitrag für die Online-Fachzeitschrift CANNABINOIDS: „Cannabinoide, die aktiven Bestandteile von Cannabis, und ihre Abkömmlinge weisen bei Krebspatienten lindernde Eigenschaften auf, indem sie Übelkeit, Erbrechen und Schmerzen verhindern und den Appetit steigern. Zudem hemmen diese Substanzen bei Labortieren – Mäusen und Ratten – das Wachstum von Tumorzellen. Allerdings gibt es zur Zeit keine zuverlässigen Beweise, nach denen Cannabinoide – natürliche oder synthetische – wirksam Krebs bei Patienten heilen können, auch wenn in diesem Bereich geforscht wird.“
Manuel Guzmán ist schon viele Jahre an der Untersuchung der Wirkstoffe von Cannabis (den Cannabinoiden) im Körper beteiligt. Im Jahr 2006 hat er Krebspatienten, die an Hirntumoren litten, THC direkt in die Problemzonen gespritzt. Dabei habe sich gezeigt, dass sich bei einigen der Schwerstkranken das Tumorwachstum signifikant veränderte.
Die Nebenwirkungen der Cannabis-Medikamente
In Deutschland bekommen nun seit 2017 Schmerzpatienten oder Menschen mit Multiple-Sklerose-Erkrankung und auch andere schwerkranke Menschen, denen nicht mehr anders geholfen werden kann, Cannabis auf Rezept. Dazu zählen auch Krebspatienten.
Beim medizinischem Cannabis können vor allem im längerfristigen Gebrauch auch Nebenwirkungen auftreten. Beobachtet wurden bisher vor allem Herzrasen, trockener Mund, verzögerte Reaktionszeiten, extrem niedriger Blutdruck. Manche Anwender leiden auch unter psychischen Nebenwirkungen, wie Angst und Panikgefühlen, andere haben Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwächen. Auch eine verminderte Lernfähigkeit wurde beobachtet und in manchen Fällen auch das Auftreten von Psychosen.
Die Einsatzliste des Bundesinstituts für Cannabis
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat eine Liste von Krankheiten erstellt, bei denen medizinisches Cannabis vor allem eingesetzt wird. Darin sind aufgeführt:
- Chronische Schmerzzustände
- Multiple Sklerose
- Krebs
- Depressionen sowie Angst- und Zwangsstörungen
- Tourette-Syndrom
- ADHS
- Arthrose und chronische Polyarthritis
- Asthma
- Borderline-Syndrom
- Magersucht und Appetitlosigkeit
- Blasenkrämpfe
- Borreliose
- Epilepsie
- Fibromyalgie
- Colitis ulcerosa und Morbus Crohn
- HIV-Infektion
- Migräne
- Neurodermitis
- Posttraumatisches Belastungssyndrom
- Rheuma (rheumatoide Arthritis)
- Schlafapnoe und Schlafstörungen
- Tinnitus
Weitere Informationen hier: https://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/versorgung/ambulant/cannabis/