Auch beim Obst gilt: Zu viel des Guten kann schädlich sein
Immer wieder kommen Anfragen an unser Expertenteam wegen unerklärlicher Verdauungsstörungen. Leider sind hier Ferndiagnosen so gut wie unmöglich. Aber es gibt neue Erkenntnisse aus dem allergologischen Geschehen, die vielleicht einen Hinweis enthalten: Fructosemalabsorption. Nie gehört? Dann lesen Sie bitte den folgenden Beitrag.
„An apple a day keeps the doctor away“ - so preist ein altes englisches Sprichwort die gesund erhaltende Wirkung von Äpfeln. Der Genuss von Obst kann manchen Menschen aber auch gesundheitliche Probleme bereiten: Wer an Fructosemalabsorption leidet, dessen Darm kann nur sehr geringe Mengen an Fruchtzucker (Fructose) aufnehmen; bereits der gerühmte tägliche Apfel kann bei den Betroffenen die Aufnahmekapazität des Darms für diese Zuckerart überfordern. Welche Ursachen und Konsequenzen das hat, erläutert der Mannheimer Allergologe Florian-Walter Velten in der Fachzeitschrift „Aktuelle Dermatologie“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2007).
Weit verbreitete, doch relativ unbekannte Stoffwechselstörung
Die Fructosemalabsorption ist eine weit verbreitete, doch relativ unbekannte Stoffwechselstörung. „Etwa die Hälfte der Erwachsenen kann täglich nicht mehr als 25 Gramm Fructose absorbieren“, macht Velten die Dimension des Problems deutlich. Zwar entwickelt nur wiederum die Hälfte der Betroffenen klinische Symptome. Bei diesen stellt sich jedoch bei jeder Fructoseüberlastung ein sogenanntes Reizdarmsyndrom ein, mit gravierenden Beschwerden wie Übelkeit, Krämpfen, Blähungen und Durchfällen.
Die Ursache für diese Beschwerden liegt letztlich in der Art und Weise, wie der Fruchtzucker im Darm verarbeitet wird. Während Traubenzucker (Glukose) aktiv unter Energieaufwand aus dem Darmlumen in die Zellen der Darmwand aufgenommen wird und von dort aus weiter ins Blut gelangt, wird die Fructose lediglich passiv mithilfe von Transportermolekülen entlang eines Konzentrationsgradienten transportiert. „Fruchtzucker wird daher niemals vollständig aus der Nahrung aufgenommen“, erklärt Florian-Walter Velten. Zum Problem wird dies bei Menschen, die über eine vergleichsweise geringe Zahl bestimmter Fructosespezifischer GLUT-Transportproteine in den Zellen der Darmwand verfügen. Prinzipiell kann jedoch jeder, der die Transportkapazität der zur Verfügung stehenden Fructosetransporter durch den Konsum großer Mengen an Fructose überlastet, Symptome eines Reizdarms entwickeln. Je größer das Ungleichgewicht zwischen Fructosekonsum und Fructosetransport, desto mehr Fructose verbleibt im Darm. Dort wird der Zucker zu kurzkettigen Fettsäuren und verschiedenen Gasen abgebaut. Diese Stoffwechselprodukte lösen letztlich das Reizdarmsyndrom aus.
Versteckte Fuctosequellen in industriell gefertigten Nahrungsmitteln
Wie der Name es andeutet, kommt Fructose natürlicherweise hauptsächlich in Obst und Gemüse vor. Velten hält daher die Empfehlung, dass eine gesunde Ernährung immer auch „viel“ Obst und Gemüse enthalten sollte, durchaus für kritisch. Auf mögliche Unverträglichkeiten sollte zumindest hingewiesen werden, so der Mannheimer Mediziner. Weitaus schwerer zu umgehen sind jedoch versteckte Fructosequellen in industriell gefertigten Nahrungsmitteln. Fruchtzucker gilt aufgrund seines geringeren Brennwerts als gesünderer Zucker und hat die Glukose daher aus vielen Lebensmitteln verdrängt. Damit sollte der starken Zunahme der Diabetes-Erkrankungen entgegengewirkt werden. Die Zuckerkrankheit wie auch ihre Vorstufe, das metabolische Syndrom, sind mit einem hohen Glukose-Konsum assoziiert. Inzwischen ist die Fructose jedoch längst nicht mehr nur in Diabetiker-Produkten enthalten; viele Lebensmittel werden mit stark fructosehaltigem Maissirup gesüßt, dessen Verbrauch sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht hat.
Ein halber Liter fructosegesüßter Limonade kann bereits zu viel sein
Die für viele Erwachsene kritische Menge von 25 Gramm Fructose täglich wird bereits mit einem halben Liter vieler handelsüblicher Limonaden überschritten. Auch der als gesunder Süßstoff geltende Honig besteht zu 35 Prozent aus Fructose. „Erwachsenen stehen als natürliche Süßstoffe vor allem Glukose und Fructose zur Verfügung, deren exzessiver Konsum entweder zum metabolischen Syndrom oder zum Reizdarmsyndrom führen kann“, fasst Florian-Walter Velten das Dilemma zusammen. Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht scheint der einzige Ausweg die Umstellung auf weniger stark gesüßte Lebensmittel zu sein. Für den einzelnen Betroffenen steht die konsequente fructosereduzierte Diät im Mittelpunkt der Therapie, wie Velten betont. Diese sollte durch einen geschulten Ökotrophologen begleitet werden.