Daß Musik subjektive Stimmungen aber auch physiologogische Vorgänge im autonomen Nervensystem positiv beeinflussen kann, hat die Forschung herausgefunden. Singen und selbst musizieren bringt die gesamte emotionale Seite des Wesens Mensch zum Schwingen. Viele kennen die befreiende Wirkung wilder Gesänge auf Berghütten, am Lagerfeuer oder bei privaten Gelagen. Schlachtenbummler in den Stadien machen sich mit Grölgesängen Mut. Soldaten marschieren meist williger und motivierter zu markigen Marschliedern. In Chören wird die emphatische Stimmung der eigenen Inbrunst kultiviert. Und Liebeslieder lassen feine bis heftige Stimmungen entstehen, je nach Verfassung.
Doch was geschieht nun in einem Wesen, das selbst musiziert oder singt wirklich? Dieser Frage gingen jetzt Wissenschaftler des Instituts für Musikpädagogik (IfMP) und des Instituts für Psychologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt nach. Ziel war es, herauszufinden ob Singen nicht nur die Stimmung verbessern, sondern möglicherweise sogar die Immunkompetenz erhöhen kann
Immunglobulin und Cortisol-Konzentration steigen an
Zur Überprüfung dieser Hypothese wurde der Laienchor einer Frankfurter Kirchengemeinde ausgewählt, der Mozarts Requiem für eine Aufführung probte. In zwei aufeinanderfolgenden Chorproben wurden subjektive und physiologische Veränderungen zunächst beim Singen und in einer weiteren Probe eine Woche später beim Anhören des Requiems erfaßt. Die Ergebnisse zeigen statistisch signifikante positive Veränderungen der Immunkompetenz unter der Bedingung „Singen“, nicht aber unter der Bedingung „Hören“ von Chormusik. Die Konzentrationen von Immunoglobulin A, einer Kenngröße der Immunkompetenz, stieg bei den Sängern ebenso an wie die des körpereigenen entzündungshemmenden Hormons Cortisol. Zugleich waren die subjektiven Stimmungen nach dem Singen statistisch bedeutsam verbessert. Diese Ergebnisse, die in einer der kommenden Ausgaben des „Journal of Behavioral Medicine'“ publiziert werden, zeigen, daß aktives Singen deutlich stärkere Wirkungen aufweist als das bloße Anhören von Musik. Weiteren Studien zur Vertiefung dieser Ergebnisse sind vorgesehen.
In Deutschland finden sich regelmäßig etwa 3,2 Millionen aktive Chorsänger in mehr als 60.000 Chören zusammen. Dem Singen komme somit eine nicht zu unterschätzende gesundheitliche Bedeutung für diesen großen Teil der Bevölkerung zu, erklären die Leiter der Studie, Prof. Hans Günther Bastian und Dr. Gunter Kreutz. Sollten sich die Untersuchungsergebnisse weiter erhärten, müssen nach Ansicht der Forscher „sängerische Aktivitäten in Laienchören im Zuge etwa von künftigen Gesundheitsreformen entsprechend berücksichtigt werden.“