Wie unser Stoffwechsel über Figur und Gesundheit entscheidet
Alles Leben ist Stoffwechsel. Immer neue Beweise werden für diese Erkenntnis gefunden. Jetzt haben Forscher in Wien einen Vorgang entschlüsselt, der in unseren Zellen über Fettleibigkeit oder Fettverbrennung entscheidet. Sie haben herausgefunden welches Protein (Eiweiß) im Innersten unserer Billionen Körperbestandteile für den Aufbau von überschüssigen Pfunden verantwortlich ist. Die Wissenschaftler entwickeln nun entsprechende Methoden, um diese Funktion zu steuern, damit keine Fettdepots mehr entstehen und bestehende abgebrannt werden.
Die Wissenschaftler bezeichnen das Protein, das die Fettverbrennung steuert, als „Entkopplerprotein 1“ (Kurzbezeichnung UCP1), weil es dafür verantwortlich ist, die Fettverbrennung zu entkoppeln. Das heißt, dass durch die Aktivität des Entkopplerproteins Fett in Energie umgesetzt, und nicht als Fettdepot angelegt wird.
Ehemalige Bakterien arbeiten in unseren Körperzellen und verbrennen Fett
Das Entkopplerprotein 1 steckt in der Membran - also der Umhüllung – bestimmter Mitochondrien in unseren mikroskopisch kleinen Körperzellen. Mitochondrien sind winzige Prozessoren, die in allen Zellen arbeiten. Man nennt sie die Kraftwerke der Zellen. Wissenschaftlich heißen sie Organellen („kleine Organchen“), oder eben Mitochondrien. Es sind ehemalige Bakterien, die vor Jahrmilliarden in jene Zellen eingewandert sind, aus denen Pflanze, Tier und Mensch zusammengesetzt sind. Dort verrichten sie seither die wichtigste Aufgabe für den Prozess des Lebens: die Energieproduktion. Sie haben jegliches höhere Leben überhaupt erst möglich gemacht. Diese ehemaligen Bakterien sind die Motoren der Evolution. In jeder der Billionen Körperzellen von uns Menschen arbeiten Hunderte bis Tausende davon. Insgesamt sind es Billiarden in einem einzigen Organismus. Muskeln und Gehirn sind besonders reichlich mit diesen Kraftwerken bestückt. Wenn sie Schaden nehmen oder wenn sie absterben, ist es vorbei mit unserer Muskelkraft aber auch mit unserem leistungsfähigen Gehirn. Parkinson, Alzheimer, Krebs und alle anderen chronischen Krankheiten haben in gestörten und leistungsschwachen Mitochondrien ihren Ursprung. Auch das Fettgewebe in unserem Körper wird von den Mitochondrien-Kraftwerken versorgt. Es besteht zum Großteil aus weißem Fett. Aber wir verfügen auch über braun gefärbte Fettzellen. Und hier, in der Mitochondrien-Membran der braunen Fettzellen, arbeitet das Entkopplerprotein UCP1. Im braunen Fettgewebe befinden sich, wie in Gehirn und Muskulatur, sogar sehr viele Mitochondrien. Sie sind auch für die Braunfärbung dieses Fettgewebes verantwortlich. Und dieses braune Fettgewebe hat für die Verbrennung oder die Einlagerung von Fett entscheidende Bedeutung.
Die Methode ist den Tieren abgeguckt, die Winterschlaf halten
„UCP1 in den Mitochondrien des braunen Fettgewebes transportiert elektrisch geladene Teilchen in der Zelle“, erläutert Universitätsprofessorin Elena Pohl von der Wiener Forschungsgruppe „und verbraucht (‚entkoppelt‘) so Energie“. Dabei wird Wärme produziert. Das UCP1 im braunen Fettgewebe sorgt zum Beispiel dafür, dass winterschlafende Tiere in den langen Monaten ohne Nahrungsaufnahme von außen ihre in den Sommermonaten angefressenen körpereigenen Fett-Depots verbrennen. Dadurch kommen sie ohne Futter aus und müssen weder verhungern noch erfrieren. Sie würden ohne dieses Protein, das ihre Fettpolster „verheizt“, den Winter nicht überleben. UCP1 ist für die Fettverbrennung von der Natur regelrecht „erfunden“ worden. „Das Entkopplerprotein 1 (UCP1), früher auch Thermogenin genannt, kommt ausschließlich im braunen Fettgewebe vor“, erläutert Prof. Pohl. Sie sagt: „Bis vor einigen Jahren dachte man, dass nur Babies und Winterschläfer dieses Fettgewebe besitzen. Seit man aber auch in Erwachsenen kleine Inseln von braunem Fettgewebe gefunden hat, wird UCP1 für die Bekämpfung der Fettleibigkeit interessant.“ Es geht den Forschern nun darum, herauszufinden, wie dieses Protein aktiviert werden kann. Denn dann können sie damit die Fettverbrennung ganz gezielt ankurbeln. Die Wiener Arbeitsgruppe hat am 19. November 2013 die neuen Forschungsergebnisse vorgelegt. Sie belegen nun eindeutig, dass keineswegs nur der Stoffwechsel in den Mitochondrien-Kraftwerken von aktiven Muskelzellen Energie freisetzen, sprich verbrennen kann, sondern dass es in den Fettzellen eben diesen ganz eigenen Mechanismus dafür gibt. Nicht nur Bewegung kann demnach den Körper vor Fetteinlagerung schützen, sondern die gezielte Steuerung des Entkoppler-Proteins UCP1 ist dazu ebenfalls in der Lage. Sie ist eine neue Möglichkeit, Fett gezielt zu verbrennen, abgeguckt den Tieren, die Winterschlaf halten.
Mitochondrien produzieren die Energiewährung des Lebens
Der entscheidende Prozess spielt sich, wie die Wissenschaftler herausgefunden haben, in den Kraftwerken der Zellen ab, dort wo die „universelle Energiewährung des Lebens“ erzeugt wird. Aber ausgerechnet über diese alles entscheidenden Lebensvorgänge weiß außerhalb der Zunft der Mediziner kaum jemand auch nur annährend Bescheid. Dabei ist das, was in Stoffwechselprozessen der Zellen abläuft, das wichtigste und faszinierendste Kapitel des Lebens überhaupt. Die Energiewährung des Lebens - was ist das? In der biochemischen Fachsprache trägt sie den Namen Adenosintriphosphat, abgekürzt ATP. Doch ATP ist für Milliarden Menschen die große Unbekannte, obwohl alle überhaupt nur dadurch existieren. Man kann ATP nicht kaufen, es ist kein Nahrungsergänzungsmittel und kein Medikament. Der Körper produziert ATP selbst. Wir sollten ihm die besten Bedingungen dafür zur Verfügung stellen. Doch dazu muss man erst einmal wissen, worum es geht. ATP ist ein besonders energiereiches Molekül, das innerhalb unserer mikroskopisch kleinen Zellen in den noch winzigeren Prozessoren, den Mitochondrien synthetisiert wird. Mitochondrien, diese Organchen aus Ex-Bakterien sind Hochleistungskraftwerke, in denen die Elektronen aus der Nahrung und unser eingeatmeter Sauerstoff zu Lebensenergie umgewandelt werden. In Jedem Augenblick passiert das in uns. Solange wir leben. Darum essen und atmen wir. Es ist das Leben, das davon angetrieben wird, und kaum jemand weiß etwas davon. Bakterien haben den Prozessor und das Herstellungsverfahren für die ATP-Produktion einst entwickelt. Vor Jahrmilliarden. Die Lebensenergie für den Betrieb unseres Organismus wird fortlaufend erzeugt. Etwa 50 Gramm sind permanent in uns im Umlauf. Während des Tages werden als Gesamtmenge in allen Zellen 70 oder auch 80 Kilo und mehr hergestellt. Diese große Menge an ATP pro Tag kann nur entstehen durch die enorme Geschwindigkeit, mit der das Adenosintriphosphat ständig synthetisiert wird. Es entsteht immerzu frisch. Jene 50 Gramm, die permanent im Umlauf sind, werden durchschnittlich pro Minute einmal erneuert. In jeder der 1.440 Minuten eines Tages. Pro Minute 50 Gramm ergibt am Ende 72.000 Gramm oder 72 Kilogramm. Die Ausgangsstoffe für die ATP-Produktion sind wie gesagt neben dem Sauerstoff der Atmung unsere Nahrungsmittel und deren molekularen Bestandteile. Sie werden durch die Verdauungstätigkeit der Darmbakterien verfügbar gemacht und über den Blutkreislauf in die Zellkraftwerke transportiert. Die Energie, die unsere Mini-Energiewerke in den Zellen liefern, ist also stets erneuerbar, ihr Prinzip ist nachhaltig, und es funktioniert bis auf den heutigen Tag weitgehend unverändert und zuverlässig. Die Mitochondrien erfüllen damit auch nach Jahrmilliarden modernste Ansprüche. Besser gesagt: Die Maßstäbe für intelligente Energieerzeugung wurden schon vor Milliarden von Jahren gesetzt. - Und wer hat‘s erfunden? – Die Mikrobe! Ein Bakterium.
Eine neue, vielversprechende Möglichkeit zum Fettabbau
Mehr über diese geheimnisvollen Lebensmaschinen in unseren Körperzellen, die trotz ihrer ungeheuren Leistungsfähigkeit nur 0,5–1,5 Mikrometer. (1 Mikrometer µm = 0,001 mm) messen, finden sie hier. In jeder unserer ja auch mikroskopisch kleinen Körperzellen arbeiten also die noch viel winzigeren Mitochondrien. Hunderte bis Tausende von Ihnen wirken in einer einzigen Zelle. Sie sind so leistungsfähig, dass sie sogar den großen Energielieferanten Sonne in den Schatten stellen, wie Gottfried Schatz, einer der renommiertesten Forscher auf dem Gebiet, einleuchtend begründet hat. Der wissenschaftliche Hintergrund wurde in dieser Buchneuerscheinung ausführlich dargestellt. Und nun geht es also um die richtige Methode und die geeignete Substanz, mit der sich das UCP1 in den braunen Fettzellen gezielt aktivieren lässt und damit auch die Fettverbrennung. Das ist dann die effektivste neue Möglichkeit für die Behandlung der Fettleibigkeit, die sich überhaupt denken lässt, denn sie setzt an den Entstehungsprozessen der Fettdepots an. Die Wiener Wissenschaftlerin Prof. Elena Pohl erinnert daran, dass es in den 1930er Jahren bereits einmal eine vielversprechende Substanz zur Gewichtsreduktion gegeben hatte, die tatsächlich den Stoffwechsel entsprechend „entkoppelte“ und beschleunigte, wenn man sie einnahm. Also ein ähnlicher Versuch liegt vor. Das Präparat wirkte etwa so, wie die hier beschriebene Entkopplung von UCP1. Es hat damit schon einmal funktioniert. Allerdings sei es in einigen Fällen zu schweren bis tödlichen Nebenwirkungen gekommen und man habe das Medikament in der Folge vom Markt nehmen müssen. „Wenn es uns gelingt UCP1 gut zu regulieren, geht die Geschichte diesmal vielleicht anders aus“, gibt sich die Professorin zuversichtlich.